EOW-Vision 1992

Der frühere Wirtschaftsdezernent der Stadt Weimar Herr Peter Rieck, schreibt in einem Brief am 02.10.2020 seine Erinnerungen zum Thema EOW-Gelände aus seiner Amtszeit und kommentiert den Bericht im August 2020 in der TA. Er hat uns freundlicherweise gestattet den Beitrag auf dieser Webseite zu veröffentlichen.

Lesen sie selbst!

Die Berichterstattung zur Entwicklung des ehemaligen EOW-Geländes am Steinbrückenweg, TA vom 20.August 2020 und des Berichts „Frischluft für Weimar setzt der Bebauung enge Grenzen“ TA vom 25.August 2020 (Michael Baar), veranlaßt mich, auf einen in der bisherigen Diskussion unbekannten, übersehenen oder ignorierten Sachverhalt aufmerksam zu machen.

Bereits in den 80iger und 90ziger Jahren des letzten Jahrhunderts (Greta war noch nicht geboren) beschäftigten sich Weimarer Bürger mit Fragen der Umsiedlung des EOW’s und der Renaturierung des EOW-Geländes, ohne dass bis 1992 eine realistische Chance bestanden hätte, auf die Entwicklung am Standort Einfluss nehmen zu können. Bereits zu jener Zeit ging es um die Wiederherstellung von Frischluftschneisen am Standort des EOW.

Im Jahr 1992 wurde der VEB EOW Volkseigener Betrieb Elektroinstallation Oberweimar im Rahmen der Privatisierung durch die Treuhandanstalt in Berlin von der R.Stahl GmbH Künzelsau übernommen. Mit der Entwicklung des Industriegebietes Weimar-Nord 1992/93 wurde die Möglichkeit der Standortverlagerung der Ex-EOW / R.Stahl GmbH vom Steinbrückenweg nach Weimar-Nord (heute R.Stahl, Schaltgeräte GmbH, Weimar) geschaffen und realisiert.

Im Zuge dieser Entwicklung konnte die Stadt Weimar mit Zustimmung des ersten frei gewählten Stadtparlaments vor 28 Jahren entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Standortes erlangen. Durch einen Beschluss des Stadtparlaments wurde die Stadt Weimar beauftragt, das EOW-Gelände von der Treuhandanstalt Berlin käuflich zu erwerben (Kaufpreis 7,6 Mio DM). Der Ankauf erfolgte unter der bindenden Auflage, die aufstehenden Gebäude vollkommen zu entfernen, den Rückbau zu betreiben und das Gelände zu renaturieren. Im Laufe der folgenden Jahre wurde ein Flächennutzungsplan erarbeitet und verabschiedet, der Beschluss zur Aufstellung eines B-Plans gefasst, im Jahr 2000 Galvanik, Heizhaus, Schornstein und Maschinenhalle abgerissen und in den Jahren 1998-2005 die Grundwasser- und Bodensanierung durchgeführt. Die Gesamtaufwendungen für die Maßnahmen beliefen sich auf 1.268.238 DM.

In einer Anfrage der SPD-Fraktion vom 23.02.2011, Drucksachen-Nr. 028/2011 zum „Fortgang Rückbau EOW – Gelände“, bittet die Fraktion die Stadtverwaltung um Auskunft zum Stand der Entwicklung und weiteren Vorgehen. Mit Datum vom 18.05.2011 werden die Fragen zur weiteren Entwicklung zusammenfassend von der Stadtverwaltung wie folgt beantwortet.

Zitat Stadtverwaltung: „Für den Rückbau des EOW-Geländes besteht ein rechtskräftiger Aufstellungsbeschluss eines B-Planes „Große Hospitalwiese – Safranwiese – Pferdeweiden“ seit 1992.

Aufgrund neuer gesetzlicher Bestimmung ab 2006 war eine Überarbeitung des B-Planes notwendig. Die aktualisierte Fassung des Entwurfs enthält nunmehr u.a. auch die Prüfung der artenschutzrechtlichen Belange sowie einen überarbeiteten Umweltbericht, die Begründung und eine Verlängerung der wasserrechtlichen Genehmigung.

Mit der beabsichtigten Beschlussfassung diese B-Planes und der damit einhergehenden Rechtssicherheit für dieses Areal ist die Möglichkeit gegeben, eine konkrete Terminkette für den Rückbau vorzusehen und damit auch Fördermittel zu beantragen, sollte der Eigenanteil gesichert werden. Bisher ist u.a. durch Lenkung von Ausgleichsmaßnahmen auf dieses Gebiet sukzessive die Renaturierung durchgeführt worden, wie die Tabelle unter Pkt. 2 verdeutlicht.

In Abhängigkeit zur Bereitstellung der finanziellen Mittel, zur Beschlussfassung und der Terminkette können in den nächsten Jahren Bausteine aus dem im B-Plan enthaltenen Maßnahmen schrittweise umgesetzt werden (Flächenerwerb, Freizug noch einiger Belegter Gebäude, Abriss, Renaturierung).

Durch die Besonderheit dieses B-Planes, der neben dem Gewässerausbau mit Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit eines noch in Teilen vorhandenen Gewässernetzes auch in der Renaturierung zur Herstellung eines naturnahen Bereiches besteht, könnte ein wichtiger Schritt in der Stadtentwicklung umgesetzt werden, der bereits im FNP verankert ist. Besonders wertvoll ist dabei die Rückgewinnung dieses Bereiches als Retensionsraum mit einer Erweiterung um 10.400 m³ als Hochwasserschutz, die auch positive Auswirkungen auf die Altstadt entlang der Ilm besitzt“ Zitat Ende.

Im August 2020 erfuhr die breite Öffentlichkeit von den Plänen der Stadtverwaltung, dass die Hartung & Ludwig, Architektur- und Planungsgesellschaft mbH den Ankauf einer Teilfläche des EOW-Geländes, Kauf der „Alten Villa“ mit dem Ziel der Sanierung und Nachnutzung sowie angrenzender Flächen beabsichtigt und die Verwaltung diesem Vorhaben wohlwollend gegenüberstehe.

Abgesehen von rechtlichen Fragen wie der Notwendigkeit eines Ausschreibungsverfahren, Wertermittlung der zu verkaufenden Fläche, „Alte Villa“, etc. stellt sich die Frage nach dem Vorteil für die Stadt, für Klima und Umweltschutz.

Wie kann es sein, dass bereits vor mehr als 30 Jahren Weimarer Bürger unter denkbar ungünstigen Bedingungen für die Verbesserung von Frischluftschneise, Hochwasserschutz und Renaturierung des EOW-Geländes demonstriererten, die Stadtverwaltung vom ersten frei gewählten Stadtrat zum Ankauf des Geländes beauftragt wurde und jetzt versucht wird, das Konzept der ganzheitlichen Renaturierung zu beerdigen. Noch 2011 war in der Antwort die Stadtverwaltung auf die Anfrage der SPD-Fraktion keine Rede von einer Nachnutzung oder Teilung des Geländes.

Wie kann es sein, dass damals getroffene Entscheidungen zu Gunsten von Umwelt und Natur heute als nicht richtig oder relevant betrachtet werden und versucht wird, diese einer Revision zu unterziehen?

Mit freundlichen Grüßen

Peter Rieck